Wie Einkaufsteams die Umsetzung des Lieferkettengesetzes richtig angehen
Im ersten Teil der Artikelserie zum Lieferkettengesetz wurden die darin enthaltenen Sorgfaltspflichten ausführlich beschrieben. Die Quintessenz lautet: Die Vermeidung oder Beseitigung von Mängeln entlang der gesamten Lieferkette muss von Unternehmen ab 2023 dargelegt und dokumentiert werden. Es besteht jedoch keine Erfolgspflicht.
In diesem Teil erfahren Sie, wie Sie als Einkaufsverantwortliche in Ihrem Unternehmen die Pflichten und Anforderungen revisionssicher und parallel auch möglichst kosteneffizient umsetzen können. Lesen Sie darüber hinaus, wie Sie Schritt für Schritt vorgehen können, um von der Planung in die konkrete Umsetzung der Sorgfaltspflichten in der gesamten Supply Chain zu gelangen.
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Im Zuge der Umsetzung des Lieferkettengesetzes macht es Sinn, eine TaskForce aus den unterschiedlichen Verantwortungsbereichen im Unternehmen zusammenzustellen. So können die entsprechenden Kompetenzen aus Compliance, Recht, SCM/Logistik, Nachhaltigkeit, SCM und dem Einkauf gebündelt und mit der Umsetzung begonnen werden. Hierbei ist es nicht entscheidend, wo und in welcher Abteilung in Ihrem Unternehmen diese Kompetenzen vorliegen, ob es nur einen Ansprechpartner und keine ganze Abteilung gibt oder ob es ggf. erforderlich ist, punktuell und temporär Kompetenzen dazuzukaufen. Wichtig wird vielmehr sein, alle genannten Kernkompetenzen und Wissensträger an einen Tisch zu bekommen, um keine Fehleinschätzungen vorzunehmen bzw. aufgrund mangelnder Informationsbasis Fehlentscheidungen zu treffen.
Selbstverständlich spielen alle Fachbereiche eine große Rolle und sind notwendig bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes. In diesem Artikel rücken die Argumente für die führende Rolle des Einkaufs in den Fokus.
Warum ist die Einkaufsabteilung so wichtig zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes?
- Der Einkaufsabteilung kommt mit den strategischen Einkäufern, Lieferantebewertern und -managern eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung des Lieferkettengesetz zu.
- Die Einkaufsabteilung greift sehr früh durch den Lieferanten-Auswahl- und Onboarding-Prozess, der Messung der Lieferantenperformance und dem Vertragsmanagement in die Umsetzung des Lieferkettengesetz ein.
- Die Einkaufsabteilung verantwortet – natürlich in enger Abstimmung mit den Stakeholdern F&E, Produktion, QM/QS, etc. – den Ausschreibungs- und Lieferantenauswahlprozess.
- Das, was viele Einkaufsabteilungen heute schon etabliert haben, gilt es jetzt für alle zukünftig vom Lieferkettengesetz betroffenen Unternehmen aufzusetzen: Mit Hilfe eines zu definierenden Lieferanten-, Material-, Warengruppen- und Länderbezogenen Screening-Prozesses muss von Beginn an den Sorgfaltspflichten nachgekommen werden.
- Startpunkt für die Einkaufsabteilung im Rahmen des Vergabeprozesses ist die Lieferantenrisikoanalyse und somit Lieferantenkategorisierung zur Einhaltung der in § 7 LkSG genannten Indikatoren.
- Standardverfahren, wie die Lieferantenselbstauskunft und das Hinzuziehen von externen Evaluierungsquellen (Netzwerkpartner, Dienstleister, Verbänden, etc.) sind ggf. um neue Anforderungen zu ergänzen und bei Bedarf auch vor Ort an den jeweiligen Produktionsstandorten im Detail zu verifizieren.
- Sollte die Risikoanalyse kritische Punkte aufweisen, so sind diese mit dem Lieferanten zu teilen, um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess bzw. Risiken der Nichteinhaltung der Sorgfaltspflichten durch neue Rahmenbedingungen zu vermeiden.
- Daraus ergibt sich ein Gesamtkonstrukt eines dem Lieferkettengesetz gerecht werdenden strategischen Lieferantenmanagement (Segmentierung, Bewertung, Klassifizierung, Entwicklung, Sustainability und LkSG).
Dies sind die wesentlichen Argumente für die frühzeitige und führende Einbindung der Einkaufsabteilung.
Um als Einkaufsabteilung diese Rolle auch erfolgreich auszugestalten, ist es laut Experten wichtig, dass die Einkaufsorganisation entweder ihr bestehendes Risikomanagementsystem ausbaut oder ein umfangreiches Risikomanagement inklusive entsprechender Vermeidungs- und Gegenmaßnahmen aufsetzt. So schützt man sich vor Lieferantenausfällen, Versorgungsengpässen und Compliance-Vorfällen.
Was können Sie aber heute bereits tun und wie sollten Beschaffungsorganisationen es sinnvollerweise angehen? Wie und an welchen Stellen im Prozess muss zwischen präventiver und reaktiver Risikohandhabung unterschieden werden? Wer ist verantwortlich für die Umsetzung und vor allem, welche Technologie hilft bei der effizienten Umsetzung?
So gelingt die Umsetzung des Lieferkettengesetzes
Schritt 1: Analyse des Status Quo
Zunächst einmal geht es um die Bewertung des Status Quos, um den aktuellen Stand und einen Reifegrad der Organisation mit Blick auf das Lieferkettengesetz zu definieren und zu bewerten. Dadurch werden mögliche Abweichungen und Prozesslücken bereits aufgezeigt. Zudem empfehlen wir den Abgleich und Austausch mit anderen Unternehmen.
Wie bereits erwähnt, kommt dem Einkauf eine besondere Rolle zu, denn er sollte nicht nur der Ausgangspunkt der Lieferkettengesetz-Umsetzungsaktivitäten sein, sondern auch aufgrund seines Wissens, den Treiber in der Transparenzphase darstellen. Es stellt sich hier die Frage, wo Ihr Unternehmen heute steht und welche Anforderungen bereits erfüllt werden und welche nicht. Der Einkauf muss unter Berücksichtigung der identifizierten Risikogesichtspunkten und der erhobenen Daten (interne und externe Quellen) sog. Hotspots in der Lieferkette identifizieren, die Lieferanten im Anschluss nach Risikoarten bewerten, deren weitere Risikorelevanz priorisieren und entsprechend nach der Risikowahrscheinlichkeit und Risikoart segmentieren. In diesem Kontext sprechen wir vom präventiven bzw. proaktiven Risikomanagement, da wir durch die Sensibilisierung bzgl. möglicher Schwachstellen in den Lieferketten, dafür Sorge tragen können, dass der Eintritt eines Risikos durch frühzeitige Vermeidungs- oder Optimierungsmaßnahmen erst gar nicht erfolgt.
Die Identifizierung der Hotspots ergibt sich aus einem Abgleich der gewonnenen Informationen aus internen und externen Daten mit den jeweiligen Lieferkettengesetz-Pflichten und damit einhergehenden, oftmals bekannten und öffentlich zugänglichen Risikoeinschätzungen.
Im Rahmen der Transparenzschaffung geht es somit bei den internen Datenquellen,
- um das Zusammentragen von Informationen aus dem eigenen ERP-System bzgl. Lieferperformance, Umsatz, Art der Produkte, Art der Halbfertigerzeugnisse und Rohstoffe, Produktions- bzw. Leistungserbringungsstätte des Lieferanten oder auch
- um die eigenen Lieferantenbewertungen, der vertraglichen Grundlagen und
- die Visualisierung der tiefergehenden, über das eigene unmittelbare Lieferantennetzwerk hinausgehende Strukturen.
Bei den externen Datenquellen geht es
- um die direkte Lieferantenansprache zur Daten-/Informationslieferung,
- Unternehmensbewertungen von S&P, Fitch, Moody’s oder D&B,
- kurzfristige Finanzinformationen von Jahresabschlüssen, Liquiditätsinformationen oder Ad-hoc Meldungen,
- Länderrisikoanalyse (World Bank, BMI, etc.) und
- rechtliche, geopolitische oder operative Risiken.
Schritt 2: Definition strategischer Leitplanken und Ziele
In einem 2. Schritt sollten alle oben genannten Bereiche gemeinsam mit der Unternehmensleitung die zukünftige Strategie definieren, die strategischen Leitplanken und auch Ziele festlegen und hierbei idealerweise bereits über die eigentlichen Pflichten und Anforderungen des Lieferkettengesetzes hinausdenken. So werden atypische Lieferkettengesetz-Risiken ebenfalls mit auf den Risikoradar genommen und ein umfangsreiches Risikoscreening kann in Zukunft umgesetzt werden. Hier stellt sich die Frage, welche Ziele man als Unternehmen durch eine erfolgreiche Umsetzung des Lieferkettengesetzes erreichen möchte.
Schritt 3: Technologie als Mittel zur Zielerreichung
Der 3. Schritt auf dem Weg zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes ist durch die Frage geprägt, wie man als Unternehmen seine Ziele erreicht und was für eine erfolgreiche Transformation vom Erkenntnisgewinn über die Strategieentwicklung hin zu einem Operating Model erforderlich ist. Wie soll also das Zielbild aussehen, welche Maßnahmen sind zu priorisieren und welcher Technologieanbieter hilft uns bei der effizienten und revisionssicheren Einhaltung der Pflichten, die sich aus dem Lieferkettengesetz ergeben?
Im dritten und letzten Teil des Umsetzungsleitfadens zum Lieferkettengesetz werden genau diese Fragen beantwortet und auf die IT als wesentliche Effizienz- und Compliance-Komponente eingegangen. Durch ganz konkrete Handlungsempfehlungen erfahren Sie zudem, wie z.B. die Anpassung von Einkaufsbedingungen, die Regelungsoptionen über den Code of Conduct oder auch möglichen Regelungs- oder Anpassungsbedarfen (bei Auffälligkeiten) bei Einkaufsverträgen. Das alles erfolgt im Kontext mit den Möglichkeiten der Evaluierung von Lieferketten, einer frühzeitigen Risikoerkennung, der Vermeidung von Risiken, der Beseitigung von Pflichtverletzungen und der Ermittlung von alternativen Lieferanten.
Autor: Prof. Dr. Guido M. Stannek, Geschäftsführer, DR. STANNEK-CONSULTING
Kompaktes Wissen: Alle Fakten zum Lieferkettengesetz
Das Lieferkettengesetz (LkSG) bildet den rechtlichen Rahmen zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten deutscher Unternehmen. Damit müssen sie die Wahrung von Menschenrechten über die gesamten Lieferketten hinweg gewährleisten und zudem nachweisen.
Das Lieferkettengesetz gilt für alle Unternehmen mit Sitz und Deutschland oder für Unternehmen mit einem Standort bzw. einer Niederlassung in Deutschland. Ab dem 1. Januar 2023 sind Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern zur Einhaltung gewisser Sorgfaltsstandards verpflichtet. Für Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern gilt dies ab dem 1. Januar 2024.
Das Ziel des Lieferkettengesetzes ist es, Menschenrechte entlang der gesamten Lieferkette zu schützen. Hierdurch sollen beispielsweise Arbeitsbedingungen verbessert, Kinder- und Zwangsarbeit verhindert und Umweltschutz vorangetrieben werden.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – auch Lieferkettengesetz genannt – wurde am Freitag, 11. Juni 2021 im Bundestag verabschiedet. Zuvor gab es zwischen den jeweiligen Interessensvertretern zahlreiche Diskussionen um den Gesetzentwurf, der letztendlich auch noch einmal nachgebessert wurde.
- Durchführung einer Risikoanalyse (§5 LkSG)
- Einrichtung eines Risikomanagements (§4 LkSG)
- Verabschiedung einer Grundsatzerklärung (§6 LkSG)
- Implementierung von Präventionsmaßnahmen (§6 LkSG) und Abhilfemaßnahmen
- Beschwerdeverfahren (§ 8 LkSG)
- Dokumentations- und Berichtspflichten (§ 10 LkSG)
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